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    Arsène Lupin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Arsène Lupin
    Von René Malgo

    Wie arg darf ein Film der Unlogik frönen, bis die Schmerzgrenze des Publikums erreicht ist? Bei „Arsène Lupin“ stellt sich diese Frage zwangsläufig. Seine penetrante Unglaubwürdigkeit überschreitet die Schmerzgrenze nämlich bei weitem.

    Wie schon sein ermordeter Vater, verdingt auch der junge, charmante Arsène Lupin (Romain Duris) seine Zeit als Meisterdieb und erleichtert mit Vorliebe die edlen Damen der Oberschicht um ihren Schmuck. Eines Tages trifft er auf die geheimnisvolle Josephine, Comtesse de Cagliostro (Kristin Scott Thomas), von der er sich sofort angezogen fühlt. Sie bringt ihn dazu, drei Goldkreuze zu suchen, die der Schlüssel zu einem sagenumwobenen Schatz sein sollen. Obwohl im Banne dieser Frau, verliebt sich Lupin erneut in seine Jugendfreundin Clarisse (Eva Green), bzw. sie sich in ihn. Plötzlich steht er nicht nur zwischen zwei Frauen, sondern wird wegen der Kreuze und der Comtesse auch von einem ominösen Männergeheimbund gejagt …

    „Arsène Lupin“ beruht auf einer in Frankreich ausgesprochen beliebten Roman- und Kurzgeschichtenreihe, angefangen von Maurice LeBlanc, dem Erfinder des Meisterdiebs. Der Film orientiert sich hauptsächlich an seinem Roman „La comtesse de Cagliostro“. Diesem Umstand zum trotz und obgleich im doch sehr nationalbewussten Frankreich fast alle nennenswerten Eigenproduktionen zu Hits werden, blieb „Arsène Lupin“ ein großer Publikumserfolg verwehrt. Leider zu Recht. Die Romanvorlagen mögen Kult- und Klassikerstatus haben, was sich der Film, welcher großen Anspruch auf Werktreue legt, aber daraus zusammenklaubt, ist - mit Verlaub - Nonsens.

    Beaumagnan (Pascal Greggory) ist der Bad Guy des Filmes und Lupins ärgster Widersacher. Auch er steht im Banne der Comtesse und hintergeht dafür sogar den „Geheim“-Bund, dem er selbst angehört. Als er dies seinen Logen-Brüdern gesteht, hat das keine weiteren Folgen für ihn, lediglich die Comtesse soll getötet werden. Es soll ja auch vermeintliche Geheimbünde geben, die ihre abgefallenen Mitglieder nicht gleicht foltern oder töten. Beaumagnan jedoch tötet ganz besonders gerne. Und so zündet er ein Feuerchen am Rollstuhl des Geheimbundführers, der daraufhin brennend aus dem Fenster kullert. Auch diese Tat bleibt ohne Folgen, er darf weiterhin innerhalb des hochgeheimen Geheimbundes sein Unwesen treiben. Auf Grund vorangegangener Ereignisse hätte der Verdacht doch zumindest kurzzeitig auf ihn fallen können, ja, müssen. Doch die Mitglieder des Bundes scheinen mit begnadeter Dumm- und Blindheit geschlagen zu sein. Was soll’s, es gibt Schlimmeres und dies kann so noch einigermaßen hingenommen werden.

    Leider wird’s aber nicht besser. Sämtliche weiteren Logik- und Continue-Fehler im Folgenden nun aufzuzählen, würde den Rahmen einer üblichen Kritik bei weitem sprengen. Nur so viel sei gesagt: Beaumagnan kommt noch auf einige seltsame Ideen, sein Charakter nimmt eigenartige Wendungen, der Geheimbund verhält sich noch dümmer als dieser ohnehin schon ist und am Ende darf sich der Zuschauer fragen: Was sollte bitteschön das? Nicht nur werden in Bezug auf Beaumagnan alle Bösewichtklischees bemüht, er ist auch noch die vermeintlich verschollene oder verstorbene Figur und der typische, dem Helden sehr nahe stehende Nemesis in Personalunion. Das nun klingt wesentlich komplizierter als es tatsächlich ist. Unser Held übrigens, ist ein begnadeter Meisterdieb, aber ansonsten ein ausgesprochener Dummkopf. Er tappt in jede noch so offensichtliche Falle, rettet sich aber zugegebenermaßen elegant und souverän immer wieder aus der Misere. Die hanebüchene Geschichte möchte mysteriös sein, ist es aber nicht im Geringsten. Vorhersehbar entwickelt sich die Story zum großen Finale. Alle Register, die aus vergleichbaren Mystery-Abenteuern bekannt sind, werden gezogen. Nach dem Showdown wähnt sich der Betrachter erlöst, aber Obacht, es geht weiter - noch eine gute halbe Stunde.

    Auf einmal tauchen neue Charaktere auf und es entstehen völlig neuartige, von der eigentlichen Geschichte losgelöste Szenen. Die Abfolge dieser zusammenhangslosen Szenen mag dem Kenner der Romanreihe einleuchten, lässt den unbedarften Zuschauer aber im Regen stehen. Im Bestreben möglichst alle Erzählungen über Lupin möglichst umfassend abzudecken, lässt Regisseur und Drehbuchautor Jean-Paul Salomé wichtige Details aus und verwirrt den armen Betrachter nunmehr vollends. Resigniert muss das Publikum den Versuch, der unnachvollziehbaren Bilderfolge zu folgen, aufgeben und lässt sich wohl oder übel und mehr schlecht als recht berieseln.

    Unlogik und Unglaubwürdigkeit allein müssen einen Film nicht zwingend zum Desaster machen. In Hollywood haben Bruckheimer und Bay die Unlogik zu Gunsten größerer Explosionen, längerer Schießereien und markiger Sprüche gar zur „Kunstform“ erhoben. Aus intellektuell-kritischem Standpunkt kann der Cineast ihren Filmen leicht Dumm-Dreistigkeit vorwerfen, Unterhaltungs- oder Spaßwerte können ihren Machwerken allerdings selten ernsthaft abgesprochen werden. Nun, „Arsène Lupin“ ist nicht einmal unterhaltsam. Die gepflegte Selbstironie gefällt, kaschiert die Langeweile aber nicht. Ein bisschen zugeknöpfte und unbeholfen platzierte „Nackter-Rücken“-Erotik von Kristin Scott Thomas mag auch nicht vom Hocker hauen und die immer kurz gehaltenen Actionszenen befriedigen kaum ein nach Spektakel lechzendes Publikum.

    Es ist aber nicht alles schlecht an „Arsène Lupin“. Das sei der Fairness halber auch erwähnt. Wirklich gut ist die Darstellung, wie Lupin die Damen um ihren Schmuck erleichtert. Da mag der kritische Betrachter zwar auch die Glaubwürdigkeit in Frage stellen, es sieht aber immer sehr einleuchtend und elegant aus. Elegant ist auch Romain Duris als Gentleman-Dieb Arsène Lupin. Mit seinem Charme sichert er sich schnell die Sympathien der Zuschauer. Leider ist er aber kein solch schauspielerisches Schwergewicht, als dass er einzig durch seine Präsenz den Film halbwegs durchs Ziel hätte retten können. Ideal auch Kristin Scott Thomas in ihrer Rolle, sie passt als Josephine wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Aber auch sie rettet den Film nicht. So ideal sie selbst besetzt ist, so unsympathisch ist ihre Figur. Pascal Greggory müht sich nach Leibeskräften ab, so zwielichtig wie nur irgend möglich zu sein, wird aber vom Drehbuch in Stich gelassen, das auf tiefere oder schlüssigere Charakterisierung verzichtet. Eva Green ist hübsch wie immer, wirkt aber ausgesprochen blass, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie eine sehr undankbare Rolle im Film einnimmt. Ihre Funktion entspricht der eines fünften Rad am Wagen.

    Jean-Paul Salomé erweist sich als sicherer Regisseur und hat ein Händchen für stimmige Bilder und Szenen. Die Actionszenarien hätten zwar ausgefeilter und flüssiger choreographiert sein können, aber es soll ja nicht bei jedem Abenteuerfilm die Genreelite aus Hollywood oder Hongkong zur Referenz herhalten müssen. Er erlaubt sich ein paar Mätzchen, übertreibt es aber nicht. Die stimmige Kameraführung, richtige Ausstattung, detailverliebten Kostüme und prächtige Natur- sowie Stadtkulisse lassen viel Atmosphäre aufkommen. Das reicht aber nicht. Denn allein eine solide Inszenierung und ansprechende Schauwerte schwächen die sich immer wieder breit machende Langeweile nicht ab. Da das Publikum mangels Nachvollziehbarkeit und wirklich interessanter Charaktergestaltungen nicht wirklich mitfiebern kann, wird es mit der Zeit egal, was da in der Flimmerkiste eigentlich genau abgeht - sehr schade.

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