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    Loriots große Trickfilmrevue
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Loriots große Trickfilmrevue

    Pünktlich zum 100. Geburtstag kommen Loriots TV-Arbeiten erstmals ins Kino!

    Von Jochen Werner

    Die humoristische Kartografierung des Deutschtums ist wohl bis heute von niemandem derart umfassend vorgenommen worden wie vom Autoren, Schauspieler und Filmemacher Vicco von Bülow. Bis heute wohlbekannt unter seinem Künstlernamen Loriot, stehen Spießertum, Bürokratie, Überkorrektheit und Autoritätsglaube der in seinen Filmen portätierten gut- bis kleinbürgerlichen Existenzen im Zentrum seiner Sketch-Miniaturen, von denen nicht wenige unverzichtbarer Teil des populärkulturellen Gedächtnisses geworden sind. Nicht selten scheint es gar, als sei keine Situation im deutschen Dasein vorstellbar, die nicht bereits Teil von Loriots Œuvre ist.

    Ein wenig schade ist es deshalb, dass der große Humorist in seinem mehr als ein halbes Jahrhundert umfassenden Werk lediglich zwei Kinofilme inszeniert hat – unter ihnen das Meisterwerk „Pappa ante portas“. Pünktlich zu Loriots 100. Geburtstag im November 2023 kehren seine TV-Arbeiten nun gleichwohl auf die Kinoleinwand zurück, in Form des von Peter Geyer zusammengestellten Kompilationsfilms „Loriots große Trickfilmrevue“. Das Konzept des Ganzen ist dabei durchaus fragwürdig – die Qualität der besten Loriot-Sketche hingegen weiterhin über jeden Zweifel erhaben.

    Die „Herren im Bad“ gehören nicht nur zu Loriots besten und bekanntesten Sketchen – sondern stehen mit an der Spitze der gesamten deutschen Humorgeschichte!

    Die Trickfilmrevue liefert dabei genau das, was der Titel verspricht: eine knapp 80-minütige Auswahl jener kurzen Animationsfilme, die Loriot als Bestandteile seiner eigenen TV-Specials, aber auch als Beiträge zu anderen Fernsehshows oder als Werbespots inszenierte. Einige davon sind bis heute berühmt und können von zahlreichen Zuschauer*innen vermutlich mitgesprochen werden – die „Herren im Bad“ oder die berühmte Szene auf der Pferderennbahn („Wo laufen sie denn?“) kommen unmittelbar in den Sinn und haben bis heute wenig von ihrem Witz verloren. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht jeder der etwas mehr in Vergessenheit versunkenen Zeichentrickfilme eine humoristische Preziose, die es dringend wiederzuentdecken gälte – und selbst die recht knappe Laufzeit konnte nur mit einigen Redundanzen und allerlei Füllmaterial erreicht werden.

    Überdies ist auch nicht alles hier verwendete Material immer ganz gut gealtert. Manch ein kultureller Kontext der deutschen Nachkriegs- und Wirtschaftswundergesellschaft wird heute weiten Teilen des Publikums kaum noch zugänglich sein. Wer insbesondere nicht mehr mit dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk vor den Wildwestjahren des Privatfernsehens aufgewachsen ist, könnte wenig Wiedererkennungswert in den Talkshow- und Tagesthemenparodien finden, die ihre komische Wirkung vor allem in diesem sehr speziellen Umfeld entfalten konnten. Die bleibende Qualität des dargebotenen Materials schwankt somit relativ stark – wobei die wirklich zeitlos lustigen Sketche sowieso bis heute in der Dauerrotation des deutschen Fernsehens verblieben sind und insbesondere zu Feiertagen sehr regelmäßig wiederholt werden.

    Die Frage nach der richtigen Konsistenz des Frühstückseis wurde natürlich auch von Loriot ausführlich verhandelt…

    Am meisten Kopfschütteln verursacht allerdings die Entscheidung, alle Sketche im Stile Loriots neu zeichnen zu lassen. Das mag großenteils auf die unzureichenden Materiallage in den deutschen Fernseharchiven zurückzuführen sein, wo oft auch aufwendig auf 35mm- oder 16mm-Film gedrehte Produktionen lediglich in Form von MAZ-Videobandaufzeichnungen aufbewahrt wurden. Für die große Leinwand mögen die überlieferten Materialien der Loriot-Trickfilme wohl tatsächlich nicht geschaffen sein – aber für die waren die minimalistischen Animationen aber eben auch nie gedacht. Und auch wenn ihre digitale Neuanimation jetzt nach möglichst exakter Vorlagentreue strebt, geht doch in dieser Neuinterpretation einiges an Charme verloren.

    Somit bleibt letztlich ein etwas schaler Eindruck zurück. Zwar ist Loriots Genie unbestritten, und den stärksten unter seinen hier versammelten Arbeiten können auch Medienwechsel und Neuanimation nichts anhaben. Und wenn dieser Film am Ende dazu führen sollte, dass eine neue Generation von Zuschauer*innen erstmals auf den einen oder anderen klassischen Loriot-Sketch stößt, war es das Ganze vielleicht schon wert – aber insgesamt findet sich auch nach dem Abspann keine ganz valide Begründung dafür, warum diese Filme nun unbedingt in dieser Form auf die Kinoleinwand gehören. Dafür weisen die eigentlich kurzen 78 Minuten auch einfach zu viele Längen auf.

    Fazit: Loriot war ein Genie, daran besteht kein Zweifel. Diese Kinokompilation seiner kurzen, fürs Fernsehen produzierten Animationsfilmsketche überzeugt trotzdem nur bedingt, zumal ein Teil des Charmes überdies noch durch die Entscheidung draufgeht, das klassische Material allzu glatt neu zu animieren. So bleibt eine etwas schleppende und eher überflüssige Zusammenstellung teils brillanter, teils redundanter Sketche übrig.

    Wir haben „Loriots große Trickfilmrevue“ im Rahmen der Berlinale 2023 gesehen.

     

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