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    SPY x FAMILY CODE: White
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    SPY x FAMILY CODE: White

    Der durchgeknallte Agenten-Anime kommt ins Kino!

    Von Michael Meyns

    Wenn am Stuhlgang der Weltfrieden hängt, dann befindet man sich offensichtlich in einem ziemlich durchgedrehten japanischen Animationsfilm, nämlich „SPY x FAMILY CODE: White“, der Kinoweiterführung der gleichnamigen, auch international überaus erfolgreichen Manga und Anime-Serie, in der ein familiäres Melodrama mit halsbrecherischer Action zusammenkommt. Für die Handlung der sich gerade zwischen zweiter und dritter Staffel befindenden TV-Serie hat der Kinofilm zwar keine Relevanz, aber so wird zugleich auch Neueinsteiger*innen ermöglicht, in die Abenteuer der ungewöhnlichen Familie Forger (auf Deutsch: Fälscher!) ohne Verständnisprobleme einzusteigen. Und das lohnt sich durchaus, zumindest wenn man auf Action-Komödien der etwas anderen (sprich: absurden) Art steht.

    Das Ehepaar Loid und Yor Forger führt ein Doppelleben: Während Loid zum Schein als Arzt in einem Krankenhaus arbeitet, ist er in Wahrheit ein Spion der Regierung von Westalis. Seine Frau Yor ist hingegen eine Auftragskillerin und beide Ehepartner wissen nichts von der geheimen Tätigkeit des Gegenübers, was an der Echtheit ihrer Gefühle füreinander aber nichts ändert. Die Dritte im Bund ist ihre Adoptivtochter Anya, die telepathische Fähigkeiten besitzt und gerade vor einem schulischen Problem steht: Ein Backwettbewerb steht an und den will sie unbedingt gewinnen. Zu diesem Zweck unternehmen die Forgers einen Ausflug ins benachbarte, aber mit Westalis verfeindete Ostaria, wo ein spezielles Küchlein hergestellt wird. Aus dem entspannten Familienwochenende wird allerdings schnell ein internationaler Zwischenfall, dessen Folgen schließlich durch die Frage entschieden wird, wann und wo Anya Kaka macht…

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    Mama Yor arbeitet in Wahrheit als Profikillerin – aber davon ahnt ihre Familie nichts!

    Ein Hund namens Bond, eine Winterlandschaft wie aus einer kitschigen Tourismuswerbung sowie Spionagetechniken, die auch in „Mission: Impossible“ nicht fehl am Platz wären – und mittendrin eine typische japanische Animationsfilm-Familie. Ein Pastiche aus Motiven und Tropen ist der von Kazuhiro Furuhashi inszenierte „SPY x FAMILY CODE: White“, wenn er sich wie schwerelos durch die unterschiedlichsten Genres bewegt. Kaum einmal kommt der Film zur Ruhe, und am Ende schwingt er sich noch zu einem Finale an Bord eines gleichermaßen futuristischen wie nostalgischen Zeppelin-Flugzeugs auf, in dem die Familienmitglieder Forger nebeneinander für den Weltfrieden kämpfen.

    Die Konstellation von zwei Eheleuten, die nicht ahnen, dass sie mit einem Spion bzw. eine Profikillerin verheiratet sind, ähnelt dem Plot von „Mr. & Mrs. Smith“. Doch das ist längst nicht die einzige Inspirationsquelle des Mangas von Tatsuya Endo, der in den vergangenen Jahren zu den erfolgreichsten seiner Art zählte. Wie auch viele der frühen Filme von Anime-Gott Hayao Miyazaki („Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“) spielt „Spy x Family“ in einer europäischen Fantasielandschaft, die wie ein Best-of der beliebtesten japanischen Reiseziele wirkt: Wunderschöne, schneebedeckte Landschaften, ein Weihnachtsmarkt, ein malerischer See, prächtige Barockbauten und dazwischen eine vom Ost-West-Konflikt inspirierte Geschichte, in der sich zwei verfeindete Nationen gegenüberstehen.

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    Anya ist zwar noch ein kleines Mädchen, aber von ihrem Stuhlgang wird am Ende das Schicksal des kompletten Planeten abhängen.

    Kontrastiert wird diese Ebene, in der Spionageaktionen und brachiale Action dominieren, mit den Familienproblemen der Familie Forger. Dass Anya einen Backwettbewerb gewinnen muss, damit Loids geheime Undercover-Mission, von der die Sicherheit der Welt abhängt, fortgeführt werden kann, mutet auf den ersten Blick reichlich absurd an. Passt auf den zweiten jedoch perfekt zu einer Welt, die sich derart nahtlos zwischen Action und Familie bewegt, zwischen Groß und Klein, zwischen Pathos und Infantilität. Auch im Animationsstil schlägt sich diese Dualität nieder: Meist dominieren zwar klassische Bilder, von den westlich inspirierten Landschaften bis zu Yor, die mit großen Augen und kurzem Rock wie eine altmodisch-hypersexualiserte Fantasiegestalt der männlich geprägten Animationswelt wirkt.

    Gerade wenn es um Anya geht, driftet der realistische Animationsstil jedoch immer wieder ins Kindliche ab, plötzlich wirken die Bilder wie mit Buntstiften gemalt, hingekrakelt und dabei doch immer kunstvoll. Höhepunkt des Ganzen ist schließlich eine bizarr-surreale Szene, in der Anya dem Gott des Kaka begegnet, was in der bizarren Welt von „SPY x FAMILY CODE: White“ tatsächlich als zentrale Wendung auf dem Weg zur Rettung der Welt funktioniert. Wer das etwas zu seltsam findet, der sollte vermutlich einen großen Bogen um diesen bunten Bilderreigen machen. Alle anderen werden mit Vergnügen in die überdrehte Welt der Familie Forger eintauchen, ganz egal, ob sie als Kenner*innen der TV-Serie ohnehin schon angefixt sind oder nicht.

    Fazit: Ein herrlich durchgedrehter, gleichermaßen nostalgischer wie zeitgemäßer Anime, der sich querbeet durch die Genres zitiert, kaum einen Moment zur Ruhe kommt, dabei aber eine gelungene Balance zwischen Spionage-Action mit Weltenrettung und Familien-Melodrama mit Backwettbewerb findet.

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