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    Nightwatch 2 – Demons Are Forever
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Nightwatch 2 – Demons Are Forever

    Die dänische Antwort auf "Halloween" (2018) und "Scream" (2022)

    Von Christoph Petersen

    Ole Bornedals Kinodebüt „Nightwatch – Nachtwache“ entwickelte sich 1994 zum international gefeierten Horrorhit – und legte so gemeinsam mit dem ein Jahr später veröffentlichten Dogma-Manifest den Grundstein für Dänemarks Status als aufregendste nicht-englischsprachige Filmnation der Welt. Bevor der inoffizielle Titel ein gutes Jahrzehnt später nach Südkorea weiterwanderte, entstanden so reihenweise Kultfilme von „Das Fest“ über „In China essen sie Hunde“ bis hin zu „Adams Äpfel“. Nun folgt, pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum, die Fortsetzung „Nightwatch 2 – Demons Are Forever“. Aber dass sich ein so einzigartiger Film wie „Nightwatch“ nicht einfach beliebig kopieren lässt, hat ja schon das ebenfalls von Ole Bornedal selbst inszenierte US-Remake „Freeze - Alptraum Nachtwache“ mit Ewan McGregor und Nick Nolte gezeigt.

    Deshalb ist es eine durchaus einleuchtende Entscheidung, dass der „Possession“-Regisseur in seinem späten Sequel lieber einen anderen Weg einschlägt: Statt noch einmal auf die inhärente Gruselatmosphäre einer nächtlichen Leichenhalle zu setzen, wird der Nachtwache-in-der-Pathologie-Part diesmal relativ knapp (und leider auch ein wenig lieblos) abgehandelt. Stattdessen entpuppt sich „Nightwatch 2 – Demons Are Forever“ als recht typischer Vertreter der vor allem von David Gordon Greens „Halloween“ (2018) losgetretenen Welle an Legacy-Slasher-Sequels, zu denen etwa auch der fünfte Teil der „Scream“-Reihe zählt: Die alte Garde kehr zurück – ist aber von den damaligen Vorkommnissen psychisch und körperlich schwer gebeutelt. Und so ist es wohl oder übel an der nächsten Generation, die Traumata der Vergangenheit ein für alle Mal zu beerdigen.

    Capelight Pictures
    Nikolaj Coster-Waldau und Kim Bodnia sind auch im Sequel zurück – aber die Hauptrolle übernimmt diesmal Fanny Leander Bornedal.

    Die Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal) hat schwer an ihrer Familiengeschichte zu knabbern: Seit sich ihre Mutter Kalinka im Sommerhaus erhängt hat, betäubt sich ihr Vater Martin (Nikolaj Coster-Waldau) mit Alkohol und Tabletten. Seinen Job als Anwalt hat er längst verloren, die finanziellen Rücklagen sind aufgebraucht – und so nimmt Emma einen Job als Nachtwächterin in der Pathologie an. Parallel dazu versucht sie, den Traumata ihrer Familie auf die Spur zu kommen – und stößt dabei auf die Story des serienmordenden Inspektors Peter Wörmer (Ulf Pilgaard), der vor 30 Jahren nicht nur eine Reihe von Frauen vergewaltigt und skalpiert hat, sondern offenbar auch kurz davor war, ihre bereits gefesselt aufgebarten Eltern zu zersägen.

    Zwar wurde Wörmer damals gerade noch rechtzeitig von Martins bestem Kumpel Jens (Kim Bodnia) niedergeschossen – allerdings hat er die schweren Verletzungen tatsächlich überlebt! Seit 30 Jahren sitzt der erblindete Serienmörder nun schon in der geschlossenen Psychiatrie – in selbstgewählter völliger Dunkelheit, mit von Schallplatten nudelnden Popsongs in 24-stündiger Dauerschleife. Emma will ihrem Vater beweisen, dass von dem „Monster“ in dieser Verfassung keine Gefahr mehr ausgeht – und erschleicht sich deshalb unter falschem Vorwand einen Besuchstermin, bei dem sie den blinden Greis mit ihrem Handy filmt. Aber statt die Dämonen der Vergangenheit so endgültig als kraftlos zu entlarven, tritt sie im Gegenteil nur eine neue grausame Mordserie los…

    Überall Traumata

    Trauma-Bewältigung ist im Horrorgenre aktuell schwer angesagt. Allerdings muss Ole Bornedal die Interpretation seines Original-Endes schon ein wenig hinbiegen, um das Sequel in diese Richtung weiterzuführen: Schließlich sahen nicht nur die Schüsse auf Wörmer damals schon verdammt tödlich aus – Martin und Kalinka wirkten in der Schlussszene auch ziemlich happy und unbeschwert. Das eigentliche Problem an der Neuausrichtung ist trotzdem ein anderes: Martin und Jens, die sich im Original noch mit einer Wette gegenseitig dazu anstachelten, zu wirklich jeder noch so hochnotpeinlichen Herausforderung „Ja“ zu sagen, zählen ja gerade wegen dieser leichtsinnigen Lebenswut zu den wohl aufregendsten Protagonisten des Horrorgenres überhaupt.

    Statt auch die Fortsetzung mit dieser unbändigen Energie zu pushen, erweisen sich die beiden im Sequel jedoch als ziemliche Downer – tablettensüchtig, lethargisch, selbstmordgefährdet. Das drückt spürbar aufs Tempo und den „Spaß“-Faktor – und um das zu rechtfertigen, hätte es schon einer gewissen „Gegenleistung“ bedurft: Aber statt psychologisch wirklich ganz tief einzusteigen, erweisen sich die metaphorischen wie buchstäblichen Narben doch nur als die üblichen Traumata von der Stange. Nur wenn sich die beiden in das flutlichtbeleuchtete Stadion des FC Kopenhagen schleichen, um dort ein paar Bälle auf das leere Tor zu schießen, kommt noch ein gewisses nostalgisches Freiheitsgefühl auf: Bornedal tut gut daran, seinen Kumpels diesen unbeschwerten Moment einfach zu lassen, statt auf dem nächtlichen Fußballfeld noch auf Krampf Spannung heraufzubeschwören.

    Capelight Pictures
    Nutzt Wörmer womöglich den Psychiatrie-Insassen Bent (Casper Kjær Jensen), um seine grausamen Taten stellvertretend für ihn zu begehen?

    Während die alte Generation also genug mit sich selbst zu tun hat (oder sowieso direkt abgemurkst wird), liegt es also an den Jungen, für das erhoffte Slasher-Vergnügen zu sorgen – und das funktioniert mit gewissen Einschränkungen ziemlich gut: Mit offensichtlichen Bezügen nicht nur zum „Halloween“-Reboot, sondern auch zu „Das Schweigen der Lämmer“, ist es ja erst mal ein faszinierendes Szenario, wie genau es der eingesperrte, erblindete und deshalb vermeintlich harmlose Serienmörder aus seiner Zelle heraus wohl schaffen könnte, eine neue grausame Mordserie anzuzetteln. Selbst wenn die Auflösung für den genreerfahrenen Teil des Publikums schnell auf der Hand liegen wird, inszeniert Boredal speziell seine (leider etwas rar gesäten) Kills so abwechslungsreich wie geschickt:

    Vor allem eine aus dem Nichts aufblitzende Rasierklinge schockiert – und warum Bornedal in einer der ganz entscheidenden Szenen entgegen der Genre-Tradition konsequent nur das Gesicht seiner Protagonistin einfängt, darüber kann man auch nach dem Rollen des Abspanns noch ausgiebig diskutieren. Apropos Protagonistin: Dass der Regisseur seine eigene Tochter in der Hauptrolle besetzt, mag Nepotismus sein oder nicht – aber auf jeden Fall hat Fanny Leander Bornedal echt was drauf, gerade weil sie sich nur schwer in eine der üblichen Schublade einsortieren lässt. Und trotzdem kann sie das Loch, dass die nur noch auf tablettenbedingter Sparflamme agierenden Martin und Jens hinterlassen haben, eben nur zu einem gewissen Teil stopfen.

    Fazit: 1994 hat Ole Bornedal mit „Nightwatch – Nachtwache“ einen Kultklassiker des Horrorgenres geschaffen. 30 Jahre später reitet er nun handwerklich überzeugend, aber ohne allzu große Überraschungen auf der anhaltenden Welle der Traumata-befeuerten Legacy-Sequels mit.

    Wir haben „Nightwatch 2 – Demons Are Forever“ bei den Fantasy Filmfest White Nights 2024 gesehen.

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