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    Mumien - Ein total verwickeltes Abenteuer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mumien - Ein total verwickeltes Abenteuer

    Die perfekte Familienfilm-Einstimmung für "Indiana Jones 5"

    Von Sidney Schering

    Die spanische Animationsfilm-Reihe „Tad Stones“ über einen freundlichen, tollpatschigen Archäologen ist so erfolgreich, dass es die Sequels auch in Deutschland nicht länger nur in die DVD-Regale, sondern auch auf die Kinoleinwand geschafft haben. Nun liefert Juan Jesús García Galocha, der schon wiederholt für das Produktionsdesign in den „Tad Stones“-Filmen verantwortlich war, sein Regiedebüt ab – und bleibt sich dabei weitestgehend treu: Auch „Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer“ ist ein animiertes Archäologie-Abenteuer, dessen Story sich allerdings wie eine auf links gekrempelte „Tad Stones“-Mission anfühlt:

    Diesmal sucht nämlich nicht ein Archäologe nach historischen Artefakten – stattdessen sind es drei Mumien, die einem Archäologen hinterherjagen, um ein von ihm entwendetes Artefakt zurückzuholen. Das Ergebnis ist ein temporeiches Chaos mit viel familienfreundlichem Witz, das nicht etwa mit dem moralischen Zeigefinger wedelt, sondern stattdessen lieber konsequent den reichlich vorhandenen Charme seiner Figuren spielen lässt.

    Für Nefer (Eleanor Tomlinson) kommt der Ausflug ins moderne London gar nicht so ungelegen – schließlich will sie viel lieber Sängerin als Prinzessin sein.

    Lord Carnaby (Stimme im Original: Hugh Bonneville) befindet sich auf der Suche nach wertvollen Artefakten aus der Zeit der Pharaonen – und wird schließlich fündig! Was er jedoch nicht weiß: Die altägyptische Mythologie enthielt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit! In einem geheimen Reich führen Mumien ein munteres Leben, darunter Ex-Streitwagenfahrer Thut (Joe Thomas), sein vorlauter kleiner Bruder Sekhem (Santiago Winder) und die Prinzessin Nefer (Eleanor Tomlinson).

    Nefer würde viel lieber ein Leben als Sängerin führen, wird aber von ihrem Vater (Sean Bean) dazu gedrängt, zu heiraten und zu regieren. Als Thut bei einem Ritual als ihr Verlobter auserwählt wird, ihm jedoch der Verlobungsring durch Lord Carnabys Grabräuberei abhandenkommt, gibt es nur eine Möglichkeit, um Thut vor drakonischen Strafen zu bewahren: Thut, Nefer und Sekhem verfolgen Carnaby, um sich den Ring zurückzuholen – und landen so mitten im modernen London!

    In bester "Tad Stones"-Tradition

    Ein wohlhabender Brite, der mit modernster Technologie und unfähigen Assistenten nach uralten Schätzen sucht, um sich an ihnen noch weiter zu bereichern: „Mumien“ beginnt als typischer Abenteuerstoff, ehe im Eiltempo der blasse Reiche als Schurke enttarnt wird. Das erwachsene Publikum dürfte da schon bei seinem Handy-Klingelton (die manischen Streicher aus „Psycho“) hellhörig geworden sein, doch auch die jüngeren Kinogänger*innen bekommen zügig vorgeführt, dass Lord Carnaby auf fragwürdige Weise Gräber plündert. Gräber, die in dieser Filmwelt zugleich Lagerräume einer florierenden Mumiengesellschaft sind, deren bandagierten Mitglieder in arge Nöte geraten, wenn jemand ihren Besitz stibitzt.

    Zwar befinden sich weder das britische Diesseits noch das ägyptische Jenseits aus „Mumien“ in der „Tad Stones“-Filmwelt – trotzdem ist der Abenteuer-Komödie anzumerken, dass hier eine Menge der kreativen Köpfe hinter der Erfolgs-Reihe wieder mit dabei sind. Hinsichtlich des Designs mutet Galochas Regiedebüt wie das schlaksige, weniger knubbelige Geschwisterchen der „Tad Stones“-Filme an. Auch „Mumien“ ist von einer sanft glühenden, hellen Lichtsetzung durchzogen, die dem Film eine vitale Optik verleiht – und Galocha versteht es, seine im Vergleich zur US-Konkurrenz schmaleren Ressourcen geschickt einzusetzen.

    Ein mumifiziertes Baby-Krokodil – niedlicher kann ein Sidekick natürlich kaum sein.

    „Mumien“ ist durchzogen von überaus detailreichen, lebhaften Sequenzen, die mit ihrer Strahlkraft geschickt darüber hinwegtäuschen, dass in weniger wichtigen Szenen auch mal knapper gehaushaltet wird. So wird in einer gewitzten, eindrucksvoll animierten Szene vorgeführt, wie originell der Tag-Nacht-Rhythmus im Mumienreich funktioniert. Später schaffen pulsierende Skyline-Impressionen des nächtlichen Londons dichte Atmosphäre. Wenn gen Ende eine Verfolgungsjagd mit einem der ikonischen roten Doppeldecker-Busse entbrennt, hat das heroische Trio dagegen gigantisches Glück und von ein paar PKW-Hindernissen abgesehen freie Bahn. Da das allerdings allerlei PS-Slapstick gestattet, fällt es leicht, über die bizarr-leergefegten Londoner Straßen und Gehwege hinwegzusehen.

    Diese und ähnliche Slapstick-Passagen inszeniert Galocha zügig, wenngleich ohne nennenswerte Persönlichkeit. Die kommt stärker zum Zuge, wenn Nefer, Thut und Sekhem in Situationskomik verwickelt werden oder aufgrund ihres Charakters sowie des Zeit-Raum-Culture-Clashs für Dialogwitz sorgen. Auf solchen Sequenzen legen die Autoren ohnehin den Fokus.

    Eine Musical-Szene zum Kaputtlachen

    Sei es, dass Thuts neurotische Ader und sein Helferdrang kollidieren, der neunmalkluge Sekhem mal durchschimmern lässt, dass er trotzdem noch allerhand zu lernen hat, oder sich Nefer Hals über Kopf in Reize der Neuzeit stürzt, ohne sie vollauf zu begreifen: Das Hauptfiguren-Trio ist schlagfertig, charismatisch und hat nachvollziehbare Schwächen und Wünsche. Daraus werden nicht nur Komik und familienfreundliche Dramatik gezogen, es weckt auch ohne einen pädagogischen Zeigefinger Neugierde auf die altägyptische Kultur. Kritischere Mitglieder des (erwachsenen) Publikums müssen inmitten dieses Trubels vereinzelte Logiksprünge verschmerzen, etwa bei Sekhems urplötzlichem Komplettverständnis moderner Technologie und Sprachbilder.

    Ebenso werden einzelne Running Gags überreizt, etwa das mehrmalige Positionieren der Hauptfiguren in der ikonischen „Walk Like An Egyptian“-Tanzpose. Doch ein supersüßer Sidekick in Form eines Baby-Krokodils, eine Handvoll cleverer Verweise auf die ägyptische Kultur (auf dem Niveau des „Asterix“-Humors) sowie die folgende, brüllend komische Highlight-Szene können darüber locker hinwegtrösten: Wenn Thut und Nefer auf die Bühne eines „Aida“-Musicals stolpern, orchestriert Galocha eine komödiantische Glanzstunde, in der kulturelle Missverständnisse, situative Komik und Seitenhiebe auf Showbiz-Pathos zu einem herrlichen Crescendo zusammenfinden.

    Fazit: Eine Archäologie-Komödie zur Abwechslung mal aus der Perspektive derjenigen, denen die ausgegrabenen Schätze eigentlich gehören: „Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer“ ist zwar nicht frei von Klischees, überzeugt aber dennoch mit jeder Menge Witz und Tempo sowie einer erfrischenden Perspektive.

     

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