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    Dumb Money - Schnelles Geld
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Dumb Money - Schnelles Geld

    Der GameStop-Börsen-Hype kommt ins Kino!

    Von Sidney Schering

    2015 stand Adam McKay vor der Herausforderung, in seiner Finanzkrisen-Satire „The Big Short“ so verwirrenden wie trockenen Wall-Street-Jargon erklären zu müssen, ohne dass sein Publikum augenblicklich wegdriftet. Also übergab er diese Aufgabe an eine sich im Schaumbad räkelnde Margot Robbie. Zwei Jahre später spielte die „Barbie“-Hauptdarstellerin ihre erste oscarnominierte Rolle – und zwar als Skandal-Eiskunstläuferin Tonya Harding, deren unglaubliche Geschichte Regisseur Craig Gillespie in „I, Tonya“ mit einer ähnlichen Mixtur aus Flapsigkeit, Zorn und Pathos umsetzte wie zuvor McKay den Börsencrash.

    Jetzt schließt sich der Kreis: In dem auf wahren Ereignissen basierenden Film „Dumb Money – Schnelles Geld“ nimmt sich nun Gillespie dubioser Wall-Street-Machenschaften an. Wie in „The Big Short“ geht es um Börsen-Bonzen, die auf das Scheitern von Unternehmen wetten. Und erneut soll ein Drahtseilakt zwischen Ernsthaftigkeit, Albernheit und Aufbegehren die sonst womöglich zu trockenen Finanztransaktionen auflockern. Aber statt eines Margot-Robbie-Cameos in der Badewanne gibt es in „Dumb Money“ Memes ohne Ende. Passt ja auch, schließlich geht es doch um das 2020/2021 erfolgte Tauziehen um die GameStop-Aktie und ein sich gegen die vermeintlich übermächtigen Hedgefonds auflehnendes Reddit-Subforum.

    Grandios besetzt: Paul Dano als Katzenshirt-tragender Börsen-Robin-Hood Keith Gill!

    Der Finanzanalyst und Hobby-YouTuber Keith Gill alias Roaring Kitty (Paul Dano) erklärt in seinen Videos, welche Aktien er unter- und überbewertet findet. Zudem teilt er seine Investmentpläne auf Reddit. Bisher war sein Publikum nicht allzu groß, aber dann gewinnt er plötzlich an Zugkraft, als er sich für die strauchelnde GameStop-Aktie ausspricht: Mächtige Hedgefonds wetten darauf, dass die Gaming-Läden bald pleitegehen. Keith hingegen glaubt an ihre Standfestigkeit, schließlich habe die Marke nostalgischen Wert und dürfe sogar während der Hochphase der Corona-Pandemie ihre Pforten öffnen: Da sie Computermäuse verkauft, gilt sie als systemrelevant!

    Während immer mehr Roaring-Kitty-Fans wie die verschuldete Krankenschwester Jennifer Campbell (America Ferrera) in GameStop investieren, geraten die Hedgefonds-Manager Gabe Plotkin (Seth Rogen), Steve Cohen (Vincent D’Onofrio) und Ken Griffin (Nick Offerman) bald massiv unter Druck: Da die Kleinspekulant*innen den GameStop-Aktienkurs (künstlich) in die Höhe treiben, verlieren die gigantischen Hedgefonds tagtäglich Milliarden von Dollar...

    Cardi B mal ganz anders interpretiert

    Die größte Stärke von „Dumb Money“ ist die Intensität, mit der Gillespie den Zeitgeist und Subkultur-Spirit seines Stoffes einfängt. Allein schon, dass die wichtigsten Figuren zu den Klängen des Rap-Hits „WAP“ von Cardi B und Megan Thee Stallion eingeführt werden, ist eine augenzwinkernd eingesetzte Zeitkapsel: Natürlich haben die Chartstürmerinnen mit ihrer besungenen „Wet-Ass Pussy“ eher Dinge unterhalb der Gürtellinie im Sinn gehabt, im Film aber sehen wir den beim Joggen ins Schwitzen geratenen YouTuber, der sich selbst einen Kätzchen-Spitznamen verpasst hat. Solche absurd-ironischen Bild-Ton-Scheren verdeutlichen, welcher Menschenschlag hier in den Wettstreit mit der vermeintlich allmächtigen Wall Street tritt.

    Die Roaring-Kitty-Fans machen sich gegenseitig vor allem mit Internethumor Mut – und die Montagen dieser zahllosen Gag-Schnipsel leisten erstaunlich gute Dienste, all die absichtlich verwirrend aufgebauten Wall-Street-Mechanismen und -Vokabeln um „Leerverkäufe“ & Co. begreiflich zu machen. Zugleich nehmen die Zusammenschnitte aus Memes, Nachrichtenschnipseln und Late-Night-Clips aber auch einen übermäßig großen Anteil der 104 Minuten Filmlaufzeit ein. Unter dieser schieren Fülle an Archivmaterial leiden irgendwann auch die handelnden Figuren und deren Konflikte, sodass „Dumb Money“ zwischendurch glatt wie eine (durchaus spaßige!) Jahresrückblick-Clipshow wirkt.

    Immerhin spielen die Hedgefonds-CEOs Tennis statt Golf – aber ansonsten erfüllen die Wall-Street-Bonzen wirklich jedes Negativ-Klischee, das man sich nur vorstellen kann…

    Dabei spielt Paul Dano den zwar Internetruhm suchenden und vor der Kamera trotzdem völlig verschüchtert agierenden Keith Gill mit einer gewinnenden Mühelosigkeit: Aus jeder Pore des „There Will Be Blood“-Stars trieft eine peinlich berührte Unsicherheit, wodurch er im Vergleich zu den emotionslos bei Cocktails über den ihnen zugutekommenden Ruin fremder Firmen diskutierenden Hedgefonds-Managern zwangsweise zum Sympathieträger wird: Ausgerechnet ein zwar fachlich durchaus fähiger Analyst, der vor der Kamera aber vor allem Nichtigkeiten brabbelt, avanciert zum unerwarteten Anführer einer Finanzmarkt-Revolte – bei einer solchen David-gegen-die-Hedgefonds-Goliaths-Geschichte kommt natürlich schon wohlige Schadenfreude auf!

    Auch der Handlungsstrang um America Ferreras Krankenschwester, die glaubt, keine Alternativen mehr zu haben, als sich durch Aktienspekulation aus ihrer Finanzlage zu kämpfen, funktioniert: Ferrera gelingt es mit einer routinierten Performance, Jennifer über das „Am Hungertuch nagende, fürsorgliche Mutter“-Stereotyp hinaus zu hieven. Dabei kommt dem in alltäglichen Situationen doch eher rudimentären Skript von Lauren Schuker Blum & Rebecca Angelo zugute, dass sie eine lustige, glaubwürdige Chemie mit Larry Owens in der Rolle von Jennifers schnippischem und dennoch empathischem Kollegen Chris hat.

    Nicht für jede Figur bleibt ausreichend Platz

    Viele andere Figuren kommen hingegen zu kurz: Pete Davidson darf als Keiths Faulenzer-Bruder ein paar freche Sprüche klopfen, das brüderliche Konkurrenzdenken zwischen den Figuren erreicht aber nie die gen Ende inszenatorisch behauptete Tiefe. Myha’la Herrold und Talia Ryder spielen wiederum ein sympathisches Studentinnen-Pärchen, das aufgrund von Keiths Postings in GameStop investiert – jedoch verkommen sie in der zweiten Filmhälfte zunehmend zu Stichwortgeberinnen.

    Prägnanter gerät da schon ein Nebenplot um einen GameStop-Kassierer (Anthony Ramos) und dessen Vorgesetzten (Dane DeHaan), die dazu da sind, die speziellen Macken und Eigenheiten des „Wirtschaftsmikrokosmos GameStop“ zu schildern. Das beginnt mit dem ständigen Versuch, der Kundschaft überteuerte Gebrauchtspiele aufzuschwatzen, und reicht bis zum internen TikTok-Tanzwettbewerb, bei dem sich Angestellte für ihre dringend benötigten Boni zum Affen machen sollen. Auch die Hedgefonds-Bonzen werden in wenigen, pointierten Szenen als völlig entrückt skizziert, ebenso wie die Gründer der Aktienhandel-App Robinhood, die schon bei einer nur sanft nachhakenden Journalistin sofort ins Schwitzen geraten. Vor allem „I, Tonya“-Nebendarsteller und Marvel-Antiheld Sebastian Stan glänzt in diesen Szenen mit einem schmierig-überforderten, hohlen Blick.

    Bei so vielen Figuren kommen einige fast zwangsläufig zu kurz – etwa Pete Davidson als Keiths Faulenzer-Bruder Kevin.

    Wirklich Neues bieten die Seitenhiebe auf raffgierige Manager nicht, Kurzweil ist in diesen Szenen aber ebenso sicher wie der Frust darüber, dass solche Leute trotzdem (meistens) ungeschoren davonkommen. Mit der Subreddit-Community wird hingegen samtpfotig umgegangen: „Dumb Money“ nimmt diejenigen in den Fokus, die aus monetärer Verzweiflung oder aus idealistischer Überzeugung handelten. Diejenigen, die auch auf Kleininvestor*innen-Seite aus Raffgier investiert oder leichtsinnig ihre Anlagen verzockt haben, nur um Teil eines Social-Media-Phänomens zu sein, werden erzählerisch nur am Rand mit behandelt.

    Es geht halt – auch im Sinne des Unterhaltungswertes – auch darum, eine optimistische „Wall Street wird nie wieder so sein wie vorher“-Narrative zu spinnen, die sich durch die realen Fakten jedoch noch nicht bestätigen lässt. Ganz davon zu schweigen, dass die „Jetzt spielen die kleinen Leute mit, was den Bonzen missfällt“-Übertöne durch die naive Schlussnote des Films glatt eine bedenkliche „Wilde Aktienspekulation ist vielleicht doch nicht so schlimm!“-Moral entwickelt.

    Fazit: So ganz scheint sich „Dumb Money“ nicht entscheiden zu können, ob denn nun waghalsige Finanzspekulationen an sich negativ sind, oder ob das Problem nicht doch nur darain besteht, dass (noch) nicht genug „kleine“ Leute daran beteiligt sind. Dessen ungeachtet ist diese satirisch angehauchte Finanz-Dramödie eine temporeiche, spaßige Zusammenfassung eines realen, sonderbaren Wirtschafts- und Social-Media-Phänomens.

     

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