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    Linoleum - Das All und all das
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Linoleum - Das All und all das

    Ein Hauch von "Donnie Darko"

    Von Jörg Brandes

    Wer von sich sagen kann, den einst erträumten Beruf auszuüben, ist vermutlich ein glücklicher Mensch. Doch oft klafft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Bei Cameron Edwin, Hauptfigur von Colin Wests Indie-Drama „Linoleum – Das All und all das“, liegen Traumberuf und tatsächliches Tätigkeitsfeld zumindest nah beieinander. Zum Astronauten hat’s bei ihm nicht gereicht, aber immerhin ist er Astronom geworden – und Moderator einer Wissenschaftsshow für Kinder.

    Gespielt wird er von dem bei uns eher minderbekannten US-Stand-up-Komiker Jim Gaffigan, der sogar in einer Doppelrolle zu sehen ist. Seine einnehmende Verkörperung eines sympathisch-spleenigen Mannes, der von einer Midlife-Crisis geplagt wird, ist einer der Glanzpunkte des mit Motiven unterschiedlicher Genre spielenden Films. Und der Hauptdarsteller ist nicht das einzige Highlight...

    Camino Filmverleih
    Jim Gaffigan begeistert sogar in einer Doppelrolle.

    Als wir Cameron kennenlernen, geht’s ihm nicht besonders gut. Seine Frau Erin („Better Call Saul“-Star Rhea Seehorn), die ihm bei seiner Show einst assistierte und die er noch immer liebt, will sich scheiden lassen. Und wegen zu geringer Einschaltquoten seiner Sendung soll er durch den ehemaligen Astronauten Kent Armstrong (ebenfalls Gaffigan) ersetzt werden. Zu allem Überfluss zieht dieser Kent zusammen mit seinem Sohn Marc (Gabriel Rush) auch noch ins Nachbarhaus. Zudem sorgt sich Cameron um seinen zunehmend dementen Vater Mac (Roger Hendricks Simon).

    Der Crash eines russischen Satelliten in seinen Hinterhof-Garten bringt etwas neuen Schwung in sein Dasein. Cameron überlegt, wie er aus den Trümmern eine Art Rakete bauen könnte, um seinen Astronauten-Traum vielleicht doch noch wahr werden zu lassen. Einen engagierten Helfer findet er ausgerechnet in Marc, der sich gegen den Willen seines Vaters auch mit Camerons Tochter Nora (Katelyn Nacon) anfreundet. Eine Verbindung mit Zukunft?

    Viele Mysterien

    Das ist nicht die einzige Frage, die sich stellt. Von Anfang an umgibt etwas Rätselhaftes das Geschehen. Ein Hauch von „Donnie Darko“ macht sich breit. Gleich zu Beginn etwa fällt ein roter Sportwagen mit dem ominösen Kent am Steuer vom Himmel, gerade in dem Moment, in dem Cameron ein Schreiben an die NASA in einen Briefkasten wirft. Wer wiederum ist die mysteriöse weißgewandete Frau (Elisabeth Henry), die Cameron gelegentlich aus einiger Entfernung anzustarren scheint? Und warum überhaupt lässt Regisseur und Autor West seinen Film in einer Zeit spielen, die anhand der Musik und der liebevollen Ausstattung in den 1980er Jahren verortet werden kann?

    So viel sei gesagt: Es gibt schließlich für alles eine Erklärung. Dennoch lässt sich der Film nicht einfach auf seinen gen Ende offenbarten Clou reduzieren. West gelingt es, das Bizarre und Abseitige mit dem als authentisch Wahrgenommenen zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Ist halt so. Man nimmt die Kombination bald gern als fast selbstverständlich hin.

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    Ein auseinanderdriftendes Paar schaut den Mysterien ins Auge.

    Zumal das Zusammenspiel des Ensembles glänzend funktioniert. Auf der einen Seite geben Jim Gaffigan als Cameron und Rhea Seehorn als dessen von ihrem Vorstadtleben in Dayton, Ohio, angeödete Ehefrau treffend ein Paar, das sich bei allem Auseinanderdriften doch noch emotional verbunden ist. Auf der anderen Seite überzeugen Gabriel Rush als wissenschaftsbegeisterter Teenager und die aus „The Walking Dead“ bekannte Katelyn Nacon in der Rolle der sexuell (noch?) nicht festgelegten Outsiderin Nora als Paar, das sich über eine reine Freundschaft hinaus einander annähert. Die Figurenkonstellation erscheint auf den ersten Blick recht konventionell zu sein. Doch es steckt viel mehr dahinter. Umso ergreifender der Twist, mit dem Colin West sein Publikum zum Ende hin überrascht.

    Fazit: „Linoleum – Das All und all das“ ist mehr als nur ein typisches US-Independent-Drama. Regisseur und Autor Colin West erzählt seine hübsch versponnene Story ruhig, reichert seinen Film mit Thriller-, Mystery- und Science-Fiction-Motiven an, die er geschickt mit der „Normal“-Handlung verrührt. Dazu gibt’s noch ein paar Wissenschaftslektionen frei Haus. Und am Ende dürfte kaum ein Auge trocken bleiben.

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