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    Knock Knock Knock
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Knock Knock Knock

    Die Geräusche aus der Wand

    Von Stefan Geisler

    Der Einstieg in den Spukhaus-Gruselhorror „Knock Knock Knock“ ist noch schön stimmig: Eine verschlafene Kleinstadt, ein verängstigter Junge, der hinter den Wänden schaurige Spukgestalten wähnt, sowie ein altes Haus, dessen märchenhafter und mit Kürbispflanzen überwucherter Garten an die fantasievollen Set-Pieces eines Tim Burton erinnert. Doch das Spielfilm-Debüt von Regisseur Samuel Bodin kann sich nicht entscheiden, was es denn eigentlich sein möchte: Eine zynische Abrechnung mit überfürsorglichen Helikopter-Eltern? Eine tragisch-schaurige Coming-of-Age-Mär mit „Coraline“-Anleihen? Oder doch eher ein übernatürlicher Slasher?

    Das Ärgerliche daran ist, dass die einzelnen Teile für sich genommen stellenweise durchaus funktionieren und interessante Ansätze bieten. In ihrer Gesamtheit bilden sie jedoch einen ziemlich wirren Mix, der mit vorhersehbaren Twists und abrupten Stimmungswechsel jeden aufkommenden Schauer im Keim erstickt und letztlich zu einem eher frustrierenden Kinoerlebnis führt.

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    Peter wird jede Nacht durch Klopfgeräusche geweckt.

    Peter (Woody Norman) ist acht Jahre alt und hat es nicht leicht im Leben. In der Schule wird er gehänselt und jede Nacht wecken ihn Geräusche aus der Wand seines Kinderzimmers. Seine Eltern Carol (Lizzy Caplan) und Mark (Antony Starr) halten das Klopfen lediglich für ein Hirngespinst und wollen von diesem Unfug nichts hören. Erst als Peter im Halbschlaf plötzlich eine Stimme vernimmt, wird klar, dass es sich um mehr als nur Einbildung handelt.

    Die körperlose Stimme stellt sich ihm schon bald als seine Schwester vor, die seit Jahren in der Wand gefangen gehalten wird. Sie leiht ihm ein Ohr und gibt ihm zudem Tipps, wie er sich gegen die Schulrüpel zur Wehr setzen kann. Doch die Ratschläge sind nicht immer von Erfolg gekrönt und haben schon bald üble Konsequenzen für Peter, der jetzt die dunkle Seite seiner Eltern kennenlernen muss. Gleichzeitig bemerkt die Grundschullehrerin Miss Devine (Cleopatra Coleman), dass mit Peter etwas nicht zu stimmen scheint und versucht der Sache auf den Grund zu gehen…

    Helikoptereltern als Horrormonster

    Das Unbehagen in der Nacht kennen wir alle: Wenn die Schatten lang werden, sich Wäschehaufen plötzlich in Monster verwandeln und es in der Wohnung unheimlich knackst und knarzt, hilft es nur noch, sich die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und die Augen fest zu schließen. Diese menschliche Furcht vor der Dunkelheit, die besonders in jungen Jahren einen wahrhaft übermannenden Grusel auslösen kann, fängt „Knock Knock Knock“ gerade zu Beginn noch wunderbar ein: Die mit Heißluftballons verzierte Tapete des Kinderzimmers weckt Erinnerungen an Autostereogramm-Suchbilder, bei denen sich plötzlich Formen und Figuren aus den Mustern hervorzuheben scheinen. Und handelt es sich bei den Klopfgeräuschen und Stimmen aus der Wand nur um Einbildung? Oder lauert tatsächlich der Schrecken im Verborgenen?

    Verstärkt wird diese Unsicherheit noch durch den patriarchalischen Vater und die strenge Mutter. Beide scheinen zunächst verständnisvoll, entpuppen sich aber nach und nach als absolute Kontrollfreaks, die von ihrem Sohnemann ein überkorrektes Verhalten erwarten. Widerworte und Fehler werden hart bestraft. Und schon bald schwingt die Angst vor einer vollkommenen Eskalation in jeder Szenen mit. Lizzy Caplan („Die Unfassbaren 2“) und Homelander-Darsteller Antony Starr spielen ihre Figuren dabei als groteske Karikaturen fürsorglicher Helikopter-Eltern, die auch vor radikalen Maßnahmen keinen Halt machen. Die stocksteife und stets um Kontrolle bemühte Darstellung der bestimmenden Erziehungsberechtigten hat dabei etwas unangenehm Entmenschlichtes.

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    An Schlaf ist nicht zu denken!

    Spiegelt die karikaturartige Zeichnung der Eltern womöglich nur Peters verschobene Wahrnehmung wider? Leider passt diese Deutung nur bedingt, denn spätestens im Zusammenspiel mit anderen Figuren wird klar, dass deren schräges Auftreten kein reiner Auswuchs kindlicher Fantasie ist. Gerade in den gemeinsamen Szenen mit Cleopatra Coleman, die hier eine engagierte Grundschullehrerin gibt, fragt man sich durchaus, ob alle Beteiligten hier dasselbe Drehbuch erhalten haben.

    Den Höhepunkt der Merkwürdigkeit markiert dabei eine albtraumhafte Nachtsequenz. In dieser sieht sich Peter plötzlich dämonenhaften Varianten seiner Eltern gegenüber. Dieses verstörende Intermezzo bleibt dabei das einzige seiner Art und hängt bedauerlicherweise etwas im luftleeren Raum. Um wirklich effektiv nachzuhallen, hätte es mehr solcher Szenen gebraucht, die uns einen Blick in Peters Unterbewusstsein gestatten – so aber bleibt das Publikum etwas ratlos im Kinosessel zurück.

    Spinnenhorror auf der Zielgeraden

    Ähnlich verwirrt dürften viele Zuschauer*innen auch nach einem äußerst vorhersehbaren Twist sein. Nach diesem mutiert „Knock Knock Knock“ plötzlich zu einem übernatürlichen Slasher, der viele der zuvor aufgebauten Spannungspunkte einfach radikal beiseite fegt. War der Film zuvor eine groteske, aber dennoch geerdete Auseinandersetzung mit einer manipulativen und gewalttätigen Eltern-Kind-Beziehung, die den Fokus klar auf das tragische Schicksal des seelisch missbrauchten Jungen gelegt hat, dreht der Streifen im letzten Drittel vollkommen frei. Die langhaarige Schreckgestalt, die hier jetzt auf Menschenjagd geht, dürfte dabei insbesondere Kinogästen mit Arachnophobie den Schweiß auf die Stirn treiben. Ihrer rapunzelhafte Mähne verleiht dem Monster nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert, in ihr tummeln sich auch noch Unmengen von Spinnen.

    So richtig möchte diese Episode nicht in den bis dahin erdachten Rahmen passen. Die radikale Eskalation offenbart vollkommen neue, cartoonhaft-überzeichnete Abgründe, die die im Vorfeld aufgebauten Horrorgebilde direkt torpedieren. Der Hausarrest, den Peter zuvor in einem unbeleuchteten Keller durchstehen musste, war deshalb so zermürbend, weil hier ein sehr düsterer, aber nachvollziehbarer Schrecken gezeichnet wurde. Die spätere Entdeckung eines versteckten Teils des Elternhauses überhöht diese eigentlich so geerdete Angstvorstellung jedoch dermaßen, dass es schon fast wieder lustig ist. Peters Eltern verwandeln sich so in der Wahrnehmung der Zuschauer*innen plötzlich von gestörten Kontrollfreaks, die mit aller Radikalität ihre Vorstellung von Recht und Moral durchsetzen wollen, zu mittelalterlichen Folterknechten.

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    Antony Starr wird hier zum wahren Kinderschreck.

    Besonders ärgerlich wird „Knock Knock Knock“ insbesondere dann, wenn der Film versucht, moralische Themen anzuschneiden oder Erklärungsansätze zu liefern, die das gestörte Verhalten von Peters Eltern rechtfertigen sollen. Auch wenn sich Peter letztlich zu (zugegebenermaßen) äußerst radikalen Taten hinreißen, sind diese lediglich Ausdruck vollkommener Hilflosigkeit. Zusätzliche Spannung büßt der Film im finalen Akt noch durch die für Horrorfilme leider nur allzu typische Dummheit ein, mit der die Figuren oftmals agieren. In diesem Fall ist es das Verhalten der Grundschullehrerin Miss Devine, die sich schlichtweg zu weigern scheint, Hilfe zu holen, bei dem man sich die ganze Zeit die Haare raufen möchte.

    Fazit: „Knock Knock Knock“-Regisseur Samuel Bodin scheint selbst nicht genau zu wissen, auf welcher Horror-Hochzeit sein Film tanzen will. Keiner der vorhandenen Ansätze wird hier in letzter Konsequenz zu Ende gedacht und stellenweise stehen sich die Elemente sogar gegenseitig im Weg.

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