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    Das Pubertier - Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das Pubertier - Der Film
    Von Andreas Staben

    Erziehung ist Kommunikation“ beteuert der hartgesottene Kriegsreporter Holger immer wieder, doch in Wirklichkeit überfordert ihn jeder Verständigungsversuch mit seinem Teenagersohn so sehr, dass er sich längst an die Front in Afghanistan zurücksehnt! Der von Detlev Buck („Bibi & Tina“) mit trocken-bissigem Humor verkörperte Vater im Notstand, der sich auch mit seiner Frau im rhetorischen Dauerclinch befindet und zur Entspannung oft ziemlich dringend einen Joint braucht, ist die witzigste und die extremste Figur in Leander Haußmanns Eltern-Kinder-Clash-Komödie über jene Zeit im Leben, die sich sowohl für die betroffenen Jugendlichen als auch für die Menschen in deren Umfeld zuverlässig als ganz besondere Herausforderung erweist: die Pubertät. Wenn Holger an einer achtlos stehengelassenen Cola-Dose ein Exempel statuieren will, eskaliert der Generationenkonflikt schon mal in einem den Eltern entgegengeschleuderten „Ich hasse euch“ des Sohnes, das allerdings durch das vom Stimmbruch geprägte Gekrächze weniger wütend als vielmehr absurd komisch rüberkommt. Diese Mischung aus unverblümter Zuspitzung und liebevoll-wahrhaftigen Details ist typisch für die starbesetzte Kinoadaption der von Erfolgsautor Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt’s nicht!“) zum Buchbestseller verarbeiteten Erfahrungsberichte aus dem eigenen Familienalltag. „Das Pubertier – Der Film“ ist eine amüsant-emotionale, zuweilen etwas überdrehte Achterbahnfahrt durch den ganz normalen Wahnsinn zwischen Pyjama-Partys und Pickel-Panik.

    Der Journalist Hannes Wenger (Jan Josef Liefers) nimmt sich eine Auszeit, um einen Roman zu schreiben. Zugleich will er die Gelegenheit nutzen, um mehr Zeit mit seiner fast 14-jährigen Tochter Carla (Harriet Herbig-Matten) zu verbringen, während seine Frau Sara (Heike Makatsch) in ihren Job zurückkehrt. Der gutmütige Vater träumt davon, sein Mädchen in Sinfoniekonzerte auszuführen und für die schönen Künste zu begeistern, aber Carla interessiert sich weitaus mehr für ihr neues iPhone als für „Schwanensee“. Als die Tochter zu ihrem Geburtstag eine Party mit Übernachtung (und mit Jungs!) im Eigenheim der Wengers veranstaltet, ist der Papa mit der Aufsicht überfordert. Da kommt das befreundete Paar Holger (Detlev Buck) und Miriam (Monika Gruber) als Unterstützung gerade recht, aber auch die beiden können nicht verhindern, dass der Abend im Chaos endet …

    Die „Pubertier“-Kolumnen von Jan Weiler sind so populär, dass fast parallel zum Kinofilm auch noch eine sechsteilige Fernsehserie mit komplett anderer Besetzung entsteht, die im Herbst 2017 zur Primetime im ZDF zu sehen sein wird. Ob die TV-Nachzügler mit der bravourösen Besetzung und dem unwiderstehlichen Schwung des Spielfilms mithalten können, wird sich zeigen, jedenfalls eignet sich Leander Haußmann („Herr Lehmann“, „Sonnenallee“) den Stoff erst einmal mit viel Gespür für das Absurde im Alltäglichen an. Zwei zentrale Ereignisse im Jugendlichenleben bilden das Herzstück seiner Erzählung: die erste eigene Party und die (vielleicht) erste intime Begegnung mit dem anderen Geschlecht. Wie das harmonische Beisammensein an Carlas Geburtstag durch die unbedachte Bemerkung eines Jungen in allgemeine Aufregung, Tränen und Vorwürfe umschlägt, ist so treffend beobachtet wie die meisten anderen Stimmungsschwankungen der durch die Hormonhölle gehenden Halbwüchsigen. Und wenn Carla sich nach ein paar teenagertypischen Extremwendungen plötzlich mit dem gleichaltrigen Edward in ihrem Zimmer wiederfindet, dann bewegt sich Haußmann souverän auf „American Pie“-Terrain und hinter den bohrenden Fragen des telefonisch um Beistand gebetenen Freundes nach der Körperhygiene öffnet sich auf ebenso lustige wie einfühlsame Weise auch für den älteren Zuschauer noch einmal der Abgrund der pubertären Unsicherheit.

    Die Unsicherheit steht auch dem tapferen, aber ungeschickten Vater immer wieder im Gesicht, den Jan Josef Liefers („Tatort“ Münster) zum unverzagten Sympathieträger macht und der das Geschehen emotional erdet - trotz einiger überflüssiger surrealer oder slapstickhafter Eskapaden (unter anderem mit einer Waschbärenfamilie auf dem Dach), die besser in Haußmanns vorherigen Kinofilm „Hai-Alarm am Müggelsee“ gepasst hätten. Zu diesen gehört auch, dass einige Erwachsene (etwa Justus von Dohnányi als übergriffiger Über-Vater in strammen Radlerhosen) sich überaus merkwürdig verhalten – und plötzlich wirken die Launen der 14-jährigen Titelheldin (auf ganz natürlich wirkende Weise im Ausnahmezustand: Newcomerin Harriet Herbig-Matten) gar nicht mehr so seltsam. Ein ruhender Pol in diesem Irrsinn ist allein Heike Makatsch („Tatsächlich… Liebe“) als Mama Sara: Wenn sie die Tochter flüsternd fragt, wann sie das vom Papa ausgesuchte Kleid zurückbringt, ist das nicht nur ein schöner Moment weiblichen Einverständnisses, sondern die Szene bringt beispielhaft die Grenzen und die Wunder der Verständigung zwischen Eltern und Kindern auf den Punkt. Und als Bonus absolviert „Fack ju Göhte“-Star Elyas M’Barek noch einen selbstironischen Gastauftritt ganz ohne Waschbrettbauch…

    Fazit: „Das Pubertier - Der Film“ ist nicht nur ein amüsantes Kinovergnügen, sondern auch etwas ganz Seltenes: ein Teenagerfilm für die ganze Familie.

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